Nun wird die genaue Vorgehensweise bei der Strukturaufklärung
ikosaedrischer Phasen geschildert. Bei der Interpretation der
Streudaten macht man starken Gebrauch vom Projektionsformalismus. Man
geht davon aus, daß die mittlere Struktur sich
als Streifenprojektionsmenge auffassen
läßt. Aus den Intensitäten der gemessenen Reflexe läß sich
auf das hochdimensionale Gitter und auf die grobe Gestalt der Fenster
im internen Raum schließen.
Man muß sich vergegenwärtigen, daß man es nun mit vier
Räumen zu tun hat, jeweils einem direkten () und einem
reziproken () sowie einem
physikalischen () und einem internen ().
Das Verfahren ist für ikosaedrische Quasikristalle in [Cor91]
und [Bou92] ausführlich beschrieben. Ich skizziere kurz den Weg:
Die Reflexe werden zunächst, wie auch bei Kristallen üblich, durch
ganze Zahlen indiziert, jedoch in der Form mit 6 Indizes. Der
Vorfaktor ergibt die sechsdimensionale Gitterkonstante A, das Fehlen
von Reflexen (Auswahlregeln für die Indizes) zeigt die Art des
sechsdimensionalen Gitters: bis jetzt ist man im Experiment auf
primitive und flächenzentrierte Gitter gestoßen.
Durch die Abbildung erhält man zu jedem Reflex
die entsprechenden Koordinaten
im internen Raum. Die Reflexintensität ist eine einfache Funktion
des internen Wellenzahlvektors, und zwar das
Quadrat der Fouriertransformierten der charakteristischen Funktion des
Fensters. Da nur die Intensität, nicht aber die Phase der
Reflexamplituden bekannt ist, hat man das gleiche Problem wie bei
Kristallen: die Fourierrücktransformierte der Intensität ergibt
nicht die Struktur im Ortsraum, (z.B. die Atompositionen), sondern die
Autokorrelationsfunktion, die die Häufigkeitsverteilung von
Atomabständen in der Struktur beschreibt. Entsprechend muß man
hier durch eine Pattersonanalyse
die Form der Fenster aus ihrer Autokorrelationsfunktion bestimmen.
Im Experiment kann man von den theoretisch unendlich vielen Reflexen
nur endlich viele auswerten: die restlichen verschwinden wegen kleiner
Intensität im stochastischen Untergrund oder liegen zu dicht
beieinander und können nicht aufgelöst werden. Da aber zur
Beschreibung eines Fensters unendlich viele Parameter nötig sind,
liegt ein schlecht gestelltes Problem vor: die möglichen
Fensterformen müssen durch zusätzliche Annahmen eingeschränkt
werden. Die Reflexe niedriger Ordnungen (also kleiner
, also meist hoher Intensität) liefern allerdings
gute Angaben über die Fenstervolumina. Wenn die Fenster keine
Löcher im Inneren besitzen, sind damit im Falle von i-AlCuFe und
i-AlPdMn ca. 90% der Atompositionen sicher bestimmt, der Rest hängt
von den
Außenbereichen des Fensters ab.
Stochastische lokale Störungen der quasikristallinen Ordnung machen
sich nicht durch eine Verbreiterung der Reflexe, sondern durch einen
diffusen Streuhintergrund und durch verminderte Reflexintensitäten
(Beschreibung durch phononische bzw. phasonische
Debye-Waller-Faktoren) bemerkbar.
Die ``perfekten'' Phasen i-AlCuFe und i-AlPdMn zeichnen sich durch
eine Schärfe der Reflexe in der Größenordnung des
bestmöglichen experimentellen Auflösungsvermögens aus und sind
daher besonders geeignet für Experimente, aber auch theoretisch
interessant wegen
der hohen Reichweite der quasikristallinen Ordnung.
Experimentell findet man in diesen Fällen ein flächenzentriertes
sechsdimensionales Gitter, was zur Bezeichnung ``F-Phasen'' geführt
hat, und außerdem verschiedene -Abhängigkeiten
für verschiedene Untergitter (Auswahlregeln für Indizes), also
eine Überstruktur. Man hat es bei den verschiedenen Punktklassen mit
drei verschiedenen Fenstern
sowie einem leeren Fenster zu tun.